15.12.2023 | Medienmitteilung, TOP NEWS

Wie kann Europa seine Natur wiederherstellen?

Das EU-Parlament stimmt Anfang 2024 über das wohl wichtigste Gesetz zum Stopp des Biodiversitätsverlustes in Europa ab. (Bild: André Künzelmann/UFZ)

Das EU-Parlament stimmt Anfang 2024 über das wohl wichtigste Gesetz zum Stopp des Biodiversitätsverlustes in Europa ab. (Bild: André Künzelmann/UFZ)

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Das EU-Parlament stimmt Anfang 2024 über das wohl wichtigste Gesetz dazu ab

Basiert auf einer Medienmitteilung der Universität Duisburg-Essen

Anfang 2024 wird das Europäische Parlament endgültig über das „Gesetz zur Wiederherstellung der Natur“ (Nature Restoration Law, NRL) abstimmen. Die international einzigartige und heiß diskutierte Verordnung hat das Ziel, den Verlust der biologischen Vielfalt in Europa aufzuhalten und umzukehren. Ein internationales Forschungsteam, in dem auch zwei Forscher von iDiv und dem UFZ vertreten sind, hat untersucht, wie erfolgsversprechend dieses Gesetz ist. Der Artikel wird am 14. Dezember 2023 in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.

Das „Gesetz zur Wiederherstellung der Natur“ (Nature Restoration Law, NRL) verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, wirkungsvolle Renaturierungsmaßnahmen zu ergreifen, um den Verlust der Biodiversität in Europa zu stoppen und umzukehren – bis 2030 auf mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresflächen und bis 2050 in allen Ökosystemen, die einer Wiederherstellung bedürfen. Zentrale Punkte betreffen die Wiedervernässung von Mooren und die Erholung von Bestäuberpopulationen. Das NRL hat im EU-Parlament bereits mehrere Hürden genommen: Zuletzt wurde es vom Umweltausschuss des EU-Parlaments gebilligt, nachdem Delegationen des Parlaments und des Rates den endgültigen Text verhandelt hatten. Für Anfang 2024 ist nun die Abstimmung des Europäischen Parlaments über das NRL geplant. 

Aber kann die Verordnung ihre Ziele wirklich erreichen? Die Autorinnen und Autoren der Studie – Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit viel Expertise in der Leitung großer europäischer Projekte zur Renaturierung und zur biologischen Vielfalt – haben ihre Erfahrungen mit anderen europäischen Umweltrichtlinien und -strategien analysiert und darauf aufbauend die Erfolgsaussichten der NRL bewertet. 

„Das NRL verfolgt viele erfolgsversprechende Ansätze und verdeutlicht, dass die EU-Kommission von Erfahrungen mit ähnlichen Rechtsvorschriften gelernt hat. Ein zentraler Aspekt dabei: Mit der Konstruktion des NRL umgeht die EU-Kommission mehrere Fallstricke, die die Umsetzung europäischer Politiken und Verordnungen oft behindern", sagt Prof. Dr. Daniel Hering von der Universität Duisburg-Essen, Erstautor der Studie. „Die Verordnung definiert klare Ziele und Zeitpläne und legt die Umsetzungsschritte fest. Sie muss zudem nicht, wie eine Richtlinie, formal in nationales Recht umgesetzt werden und spart damit Zeit.“ Dennoch wird die konkrete Umsetzung auf der Ebene der Mitgliedsstaaten für den Erfolg des NRL entscheidend sein. „Während die Ziele des EU-Gesetzes genau definiert und verbindlich sind, müssen die Schritte zu ihrer Erreichung im Detail von den europäischen Ländern entschieden und durchgeführt werden, und die meisten von ihnen sind freiwillig“, erläutert Prof. Dr. Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), einer der Autoren der Studie. 

Ein weiterer erfolgsentscheidender Aspekt: Die Zusammenarbeit der Politik mit den Landnutzerinnen und -nutzern, insbesondere in der Landwirtschaft. „Die intensive Landwirtschaft ist nach wie vor eine der Hauptursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt in Europa", ordnet der Senior-Autor Guy Pe'er, Wissenschaftler bei iDiv und am UFZ, ein. „Aber die Ziele der Landwirtschaft und der Renaturierung könnten besser miteinander verknüpft werden, so dass beide Seiten davon profitieren. Zum Beispiel kommen der Landwirtschaft gesunde Böden und sich erholende Bestäuberpopulationen oder ein verbesserter Landschaftswasserhaushalt direkt zugute.“ Die Autorinnen und Autoren kommen zu dem Schluss, dass ein Einsatz von Fördermitteln der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) auch zur Zielerreichung des NRL entscheidend sein wird – eine in Fachwelt und Anwendung kontrovers diskutierte These.

Insgesamt bewerten die Autorinnen und Autoren das NRL positiv. Sie machen jedoch deutlich, dass eine ehrgeizige nationale Umsetzung und die Zusammenarbeit mit Wirtschaftssektoren wie der Landwirtschaft letztlich über den Erfolg der Renaturierungsmaßnahmen in Europa entscheiden werden. 

Das NRL ist Teil des Green Deals sowie der EU-Biodiversitätsstrategie und soll dazu beitragen, die EU-Klimaziele zu erreichen. Zudem soll das Gesetz das internationale Biodiversitätsabkommen von Kunming-Montreal erfüllen, wonach mindestens 30 Prozent der degradierten Ökosysteme wiederherzustellen sind. In der EU sind mehr als 80 Prozent der Lebensräume laut EU-Angaben in einem schlechten Zustand.

 

Originalpublikation
(Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit iDiv-Affiliation sind fett gedruckt)

Daniel Hering, Christian Schürings, Franziska Wenskus, Kirsty Blackstock, Angel Borja, Sebastian Birk, Craig Bullock, Laurence Carvalho, Magda Bou Dagher-Kharrat, Sebastian Lakner, Nataša Lovrić, Shane McGuinness, Gert-Jan Nabuurs, Agustín Sánchez-Arcilla, Josef Settele, Guy Pe’er: Securing success for the EU Nature Restoration Law. Science. DOI: 10.1126/science.adk1658

 

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Daniel Hering
Lehrstuhl für Aquatische Ökologie
Universität Duisburg-Essen
E-Mail: daniel.hering@uni-due.de

 

Dr. Guy Pe’er(Hebräisch, Englisch, Deutsch)
Postdoktorand
Abteilung Ökosystemleistungen & Abteilung Ökonomie
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Tel.: +49 341 97 33182
E-Mail: guy.peer@idiv.de
Web: www.idiv.de/de/gruppen_und_personen/mitarbeiterinnen/mitarbeiterdetails/eshow/peer_guy.html

 

Prof. Dr. Josef Settele
Departmentleiter Naturschutzforschung
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
E-Mail: josef.settele@ufz.de
Web: www.ufz.de/index.php

 

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