15.08.2023 | TOP NEWS, Medienmitteilung

Einige Pflanzen behalten ihre abgestorbenen Blätter im Herbst, aus guten Gründen

Experiment in einem Garten zur Messung des Anteils der Marzeszenz. (Bild: Renáta Schnablová)

Experiment in einem Garten zur Messung des Anteils der Marzeszenz. (Bild: Renáta Schnablová)

Vorbereitung der Messung. (Bild: Renáta Schnablová)

Vorbereitung der Messung. (Bild: Renáta Schnablová)

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Verbleib von abgestorbener Biomasse an Pflanzen beeinflusst wahrscheinlich Kohlenstoff- und Nährstoffkreisläufe

Bericht von Dr. Gerrit Angst, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Experimentellen Interaktionsökologie am iDiv, Universität Leipzig, und an der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, Co-Autor der Studie:

Leipzig/Budweis/Prag. Der Verbleib von abgestorbener Biomasse an Gräsern und Kräutern in der gemäßigten Klimazone ist weitverbreitet und korreliert mit bestimmten Pflanzeneigenschaften, welches den potentiellen Einfluss dieses Phänomens auf Ökosystemfunktionen impliziert. Dies sind die Hauptaussagen einer experimentellen Studie von über 100 Pflanzenarten, die zusammen von Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), Universität Leipzig, der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, und der Karls-Universität Prag durchgeführt wurde. Die Studie wurde kürzlich in der wissenschaftlichen Zeitschrift Journal of Ecology publiziert.

Wenn der Winter an die Tür klopft und die Landschaft mit erstem Frost überzieht, fahren Pflanzen ihren Stoffwechsel herunter und werfen ihre Blätter ab. Allerdings behalten einige Bäume und Gräser ihre abgestorbenen Blätter im Herbst und Winter, obwohl diese bleich und farblos sind. Dieses Phänomen wird Marzeszenz genannt und kann häufig am Wegesrand beobachtet werden. Aber hat Marzeszenz eine Funktion oder ist dieses Phänomen ein unbedeutendes Überbleibsel des vorangegangenen Sommers?

Marzeszenz wurde im mediterranen Raum schon relativ gut erforscht. Hier werden sonst schwer abbaubare Substanzen in marzeszenter Biomasse durch die Strahlen der Sonne zersetzt, was den Abbau und die Nährstofffreisetzung von dieser Biomasse später erleichtert und so den Pflanzen einen Wettbewerbsvorteil verschafft. In den gemäßigten Breiten wurde Marzeszenz allerdings kaum erforscht, mit Ausnahme von einigen Baumarten. Einfache Beobachtungen deuten allerdings darauf hin, dass dieses Phänomen weit verbreitet zu sein scheint, vor allem für Gräser und Kräuter. Wir haben uns deshalb gefragt, wie verbreitet Marzeszenz in unseren Breiten ist und ob sie mit spezifischen Eigenschaften von Pflanzen korreliert.

Zum Glück konnten wir auf ein Experiment im botanischen Garten in Prag zurückgreifen, in dem mehr als hundert Pflanzenarten unter den gleichen Umweltbedingungen gezogen wurden. Dieser Versuch schien ideal dafür geeignet, unsere Fragen zu beantworten. Also haben wir einen Schlachtplan entworfen und schließlich die Biomasse von 127 Pflanzen kurz vor Beginn der nächsten Wachstumsperiode beprobt. Basierend auf diesen Proben haben wir den Anteil von marzeszenter Biomasse für jede Pflanze bestimmt und mit verschiedenen Pflanzeneigenschaften korreliert.

Zumindest ein Teil der Biomasse von fast allen untersuchten Pflanzen (123 von 127) war marzeszent, welches unsere ursprüngliche Vermutung bestärkt hat, dass Marzeszenz ein weitverbreitetes Phänomen in den gemäßigten Breiten ist. Besonders große Pflanzen mit kleinen Blättern und hohen Kohlenstoffkonzentrationen in ihrem Gewebe hatten einen hohen Anteil an marzeszenter Biomasse. Auch solche Pflanzen, die präferentiell stark gestörte Ökosysteme besiedeln, waren überwiegend marzeszent. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Marzeszenz von Vorteil für Pflanzen in den Anfangsstadien der Sukzession ist und einen Einfluss auf Kohlenstoff- und Nährstoffkreisläufe haben kann. Da wir allerdings erst wenig über die Funktion von Marzeszenz in den gemäßigten Breiten wissen, können wir nicht stark genug betonen, dass zusätzliche Studien unerlässlich sind, um die Relevanz dieses vernachlässigten Phänomens für Ökosystemfunktionen zu beurteilen.

 

Originalpublikation
(Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit iDiv-Affiliation und Alumni sind fett gedruckt)

Ondřej Mudrák, Šárka Angst, Gerrit Angst, Hana Veselá, Renáta Schnablová, Tomáš Herben, Jan Frouz (2023). Ecological significance of standing dead phytomass: Marcescence as a puzzle piece to the nutrient cycle in temperate ecosystems. Journal of Ecology, DOI: 10.1111/1365-2745.14174

 

Ansprechpartner:

Dr. Gerrit Angst(spricht Deutsch und Englisch)
Experimentelle Interaktionsökologie
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig,
Universität Leipzig
Institute of Soil Biology and Biogeoschemistry, Czech Academy of Sciences
Tel.: +49 341 9739179
E-Mail: gerrit.angst@idiv.de

 

Kati Kietzmann
Abteilung Medien & Kommunikation
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Tel.: +49 341 9739222
E-Mail: kati.kietzmann@idiv.de

 

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