12.12.2021 | sDiv, TOP NEWS, Forschung

Die Einzigartigkeit verschwindet

Alle 3 Bilder zeigen Beispiele f&uuml;r gebietsfremde Pflanzen. Hier: Die nordamerikanische Stachelgurke (<em>Echinocystis lobata</em>) in der russischen Republik Altai. (Bild: Elena Zykova)

Alle 3 Bilder zeigen Beispiele für gebietsfremde Pflanzen. Hier: Die nordamerikanische Stachelgurke (Echinocystis lobata) in der russischen Republik Altai. (Bild: Elena Zykova)

Der Japanische Staudenkn&ouml;terich (Fallopia japonica) entlang eines Flusses in &Ouml;sterreich. (Bild: Franz Essl)

Der Japanische Staudenknöterich (Fallopia japonica) entlang eines Flusses in Österreich. (Bild: Franz Essl)

Das Indische Springkraut (<em>Impatiens glandulifera</em>) entlang eines Waldrandes in Deutschland. (Bild: Mark van Kleunen)

Das Indische Springkraut (Impatiens glandulifera) entlang eines Waldrandes in Deutschland. (Bild: Mark van Kleunen)

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Pflanzengemeinschaften weltweit ähneln sich zunehmend

Basiert auf einer Medienmitteilung der Universität Konstanz

Kostanz/Leipzig. Pflanzengemeinschaften werden sich immer ähnlicher, selbst zwischen weit voneinander entfernten Regionen unseres Planeten. Grund ist die Ausbreitung gebietsfremder Pflanzenarten, so das Ergebnis eines globalen Forschungsprojektes unter Leitung Konstanzer Biologinnen und Biologen und mit Beteiligung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv). Die Ergebnisse der Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurden, unterstreichen die Wichtigkeit effektiver Schutzmaßnahmen für den Erhalt regionaler Einzigartigkeit.

Wenn sich in einem bestehenden Ökosystem gebietsfremde Pflanzen erfolgreich ausbreiten können, dann führt diese meist zu einer steigenden Ähnlichkeit regionaler Pflanzengemeinschaften. Weltweit betrachtet kommt es so zu einem Verlust an regionaler Einzigartigkeit. Insbesondere sogenannte Super-Invasoren-Pflanzen sorgen durch ihre globale Verbreitung dafür, dass sich selbst weit voneinander entfernte Regionen mit klarer geographischer Trennung immer ähnlicher werden. In vielen Gebieten lassen sich demnach immer häufiger dieselben Pflanzen finden. Zu diesen Ergebnissen kommt ein internationales Forschungsteam unter der Leitung Konstanzer Biologinnen und Biologen.

Untersuchung mithilfe globaler Datenbank

In ihrer aktuellen Studie vergleichen die Forschenden anhand globaler Datenbanken erstmalig die Zusammensetzung 658 regionaler Floren aus nahezu allen Teilen der Welt. Zusätzlich untersuchen sie den Einfluss biogeographischer und menschgemachter Faktoren auf die zunehmende Vereinheitlichung der regionalen Pflanzengemeinschaften, so genannter „Floren“. Für die Bewertung der Einzigartigkeit einzelner Regionen berücksichtigen sie sowohl die Anzahl der Pflanzenarten, die sich eine Region mit anderen Regionen teilt oder nicht teilt, als auch den Verwandtschaftsgrad der Pflanzenarten zueinander. Sie schließen dadurch auch die regionalen Evolutionsgeschichten der Pflanzenarten in ihre Untersuchung ein.

Co-Autor Dr. Marten Winter, Leiter von sDiv (iDiv-Synthesezentrum), ist einer der Begründer der Datenbank „GloNAF – Global Naturalized Alien Flora“, die die Informationen zu den eingebürgerten gebietsfremden Pflanzenarten zu dieser Studie geliefert hat. Er und das GloNAF-Team tragen seit nunmehr zehn Jahren zum stetigen Wachsen dieser wichtigen Informationsquelle bei. „Mit GloNaf lassen sich vor allem verschiedene Datenquellen zusammenführen und miteinander abgleichen. So werden globale Muster erkennbar, die wir bisher nur aus einzelnen regionalen Studien kannten“, so Winter. „In einem nächsten Schritt werden wir nun die Daten dieser Studie mit weiteren, noch detaillierteren Informationen zum räumlichen Vorkommen von Pflanzen verschneiden, um die Ausbreitungsdynamiken gebietsfremder Arten noch besser verstehen zu können.“

Eine wichtige Rolle bei der Ausbreitung gebietsfremder Pflanzen und dem Verlust der Einzigartigkeit regionaler Floren spielen verschiedene biogeographische Faktoren. Hierzu gehören laut Studie die geographische Entfernung zwischen den betrachteten Regionen und deren „klimatische Distanz“ zueinander. „Je mehr sich zwei Regionen klimatisch ähneln, desto eher gelingt es einer Pflanze aus der einen Region, sich in der anderen als naturalisierte Art zu etablieren, wenn geographische Hürden erst einmal überwunden wurden. Pflanzen aus einer Region mit kurzer klimatischer Distanz zum neuen Lebensraum sind sozusagen ‚klimatisch vorangepasst‘“, erklärt der Erstautor der Studie, Dr. Qiang Yang von der Uni Konstanz.

Politische Faktoren als zusätzliche Faktoren

Doch auch menschgemachte Faktoren haben einen Einfluss auf die Verbreitung gebietsfremder Pflanzen und die Vereinheitlichung der weltweiten regionalen Floren. So beschreiben die Forschenden, dass die gemeinsame Verwaltungshistorie einiger betrachteter Gebiete ebenfalls eine Rolle spielt: Regionen, die unter derselben politischen Verwaltung stehen oder standen, sind floristisch ähnlicher geworden.

Aktuelle Beispiele bieten Regionen, die Teil desselben Staatsgebietes sind, wie verschiedene Regionen innerhalb der USA. Historische Beispiele sind dagegen die Europäischen Kolonialmächte und ihre ehemaligen Kolonien. „Zwischen Regionen desselben Staatsgebietes oder Regionen mit historischen kolonialen Verbindungen besteht oder bestand ein reger Austausch in Form von Fracht- als auch Personenverkehr. Dadurch erhöht sich gewöhnlich auch der Austausch von Pflanzen über geographische Grenzen hinweg – sei es absichtlich, als Handelsware oder Nutzpflanze, oder unabsichtlich“, erläutert Qiang Yang.

Wirksame Maßnahmen erforderlich

In der Summe treiben gebietsfremde Pflanzen im Falle ihrer Naturalisierung die weltweite Vereinheitlichung regionaler Pflanzengemeinschaften voran. Dabei trägt der Mensch durch die Verbreitung dieser gebietsfremden Pflanzen einen erheblichen Teil dazu bei. „Diese Effekte zeigen sich heute selbst an den entlegensten Orten der Welt“, berichtet Prof. Dr. Mark van Kleunen, Professor für Ökologie am Fachbereich Biologie der Universität Konstanz und Senior-Autor des Fachartikels. „Wenn es in Zukunft keine effektiveren Schutzmaßnahmen gegen die fortschreitende Ausbreitung und Naturalisierung gebietsfremder Pflanzen geben wird, werden diese die Einzigartigkeit unserer Lebensräume zunehmend zerstören – und die Welt so zu einem eintönigeren Ort machen.“

Die Studie wurde gefördert durch: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Czech Science Foundation (GACR) und Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik (AV ČR), Österreichischer Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), Stiftung zur Forschungsförderung São Paulo (FAPESP) und Nationaler Fonds für wissenschaftliche und technologische Entwicklung Chile (FONDECYT).

 

Originalpublikation:
(iDiv-Forschende und -Alumni fett gesetzt)

Yang, Q., Weigelt, P., Fristoe, T. S. , Zhang, Z., Kreft, H., Stein, A., Seebens, H., Dawson, W., Essl, F., König, C., Lenzner, B., Pergl, J., Pouteau, R., Pyšek, P., Winter, M., Ebel, A. L., Fuentes, N., Giehl, E L. H,, Kartesz, J. ,Krestov, P., Kukk, T., Nishino, M., Nikolaevich, K. A., Villaseñor, J. L., Wieringa, J. J., Zedam, A., Zykova, E., van Kleunen, M. (2021): The global loss of floristic uniqueness, Nature Communications, DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-021-27603-y

 

Ansprechpartner:

Dr. Marten Winter
Leiter sDiv (Synthesezentrum iDiv)
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv)
Tel.: +49 341 9733129
E-Mail: marten.winter@idiv.de
Web: www.idiv.de/de/gruppen_und_personen/mitarbeiterinnen/mitarbeiterdetails/64.html

 

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