28.03.2024 | Medienmitteilung, TOP NEWS

Rangordnung hinterlässt genetische Spuren: Wie der soziale Status das Erbgut von Tüpfelhyänen beeinflusst

T&uuml;pfelhy&auml;nen <em>(Crocuta crocuta)</em> ruhen sich in einem Gemeinschaftsbau im Serengeti-Nationalpark in Tansania aus.&nbsp; (Bild: S. Benhaiem)

Tüpfelhyänen (Crocuta crocuta) ruhen sich in einem Gemeinschaftsbau im Serengeti-Nationalpark in Tansania aus.  (Bild: S. Benhaiem)

T&uuml;pfelhy&auml;nen<em> (Crocuta crocuta)</em> sind sehr soziale Tiere mit einem vorhersehbaren sozialen Status, der durch Familienbeziehungen und Verhaltenskonventionen bestimmt wird. (Bild: Wikimedia Commons - A. Peach)

Tüpfelhyänen (Crocuta crocuta) sind sehr soziale Tiere mit einem vorhersehbaren sozialen Status, der durch Familienbeziehungen und Verhaltenskonventionen bestimmt wird. (Bild: Wikimedia Commons - A. Peach)

Die Forscherinnen und Forscher analysierten die DNA von drei Clans von T&uuml;pfelhy&auml;nen <em>(Crocuta crocuta)</em> im Serengeti-Nationalpark in Tansania. (Bild: Wikimedia Commons - Tubs)

Die Forscherinnen und Forscher analysierten die DNA von drei Clans von Tüpfelhyänen (Crocuta crocuta) im Serengeti-Nationalpark in Tansania. (Bild: Wikimedia Commons - Tubs)

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Neue Studie zeigt, wie sozialer Status und Verhalten sich im Erbgut widerspiegeln.

Basiert auf einer Medienmitteilung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW)

Forschende des Deutschen Zentrums für Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig und des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) weisen in einer Untersuchung an jungen und erwachsenen freilebenden Tüpfelhyänen nach, dass sich Sozialverhalten und sozialer Status durch epigenetische Mechanismen auf molekularer Ebene im Erbgut niederschlagen. Die in der Fachzeitschrift Communications Biology veröffentlichten Ergebnisse tragen dazu bei, die Rolle epigenetischer Mechanismen im Zusammenspiel von sozialen, ökologischen und physiologischen Faktoren im Leben eines sozialen Säugetiers besser zu verstehen. 

Bei Säugetieren können das Sozialverhalten und der soziale Status das Überleben, die Fortpflanzungsleistung und die Gesundheit von Individuen stark beeinflussen. Es ist jedoch noch nicht vollständig geklärt, wie soziale und ökologische Faktoren in physiologische Prozesse übertragen werden und wie sich das dann in molekularen Prozessen widerspiegelt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden nun heraus, dass der soziale Status epigenetische Muster – insbesondere durch DNS-Methylierung – bei jungen und erwachsenen weiblichen Tüpfelhyänen (Crocuta crocuta) hinterlässt. Die Forschenden analysierten gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen DNS aus Zellen der Darmschleimhaut von 18 erwachsenen Hyänenweibchen und 24 Jungtieren mit bekanntem sozialem Status aus drei Clans im Serengeti-Nationalpark in Tansania. Sie identifizierten und validierten 149 Regionen, die bei ranghohen und rangniedrigen Individuen unterschiedlich methyliert waren (differentially methylated regions – DMRs). „Wir konnten erstmals epigenetische Signaturen sozialer Ungleichheit sowohl bei jungen als auch bei erwachsenen Tüpfelhyänen nachweisen“, sagt Seniorautorin Dr. Alexandra Weyrich, sDiv-Wissenschaftlerin am iDiv und Leiterin der Arbeitsgruppe "Wildlife Epigenetics" am Leibniz-IZW. "Wir hoffen, dass epigenetische Biomarker in Zukunft in die Biodiversitätsforschung einbezogen werden können, um die Reaktionen der Arten auf Umweltunterschiede besser zu verstehen“. 

Die Ergebnisse zeigten, dass diese epigenetischen Signaturen über mehrere Lebensstadien hinweg stabil und mit wichtigen physiologischen Prozessen verbunden sind: Viele der identifizierten DMRs sind an der Regulierung der Energieumwandlung, der Immunantwort, der Signalgebung des Glutamatrezeptors und des Ionentransports beteiligt. „Besonders die große Anzahl von DMRs in Genen, die an der Energieumwandlung beteiligt sind, ist uns aufgefallen“, sagt Erstautor Colin Vullioud, Datenanalyst in Weyrichs Arbeitsgruppe. Co-Autorin Dr. Sarah Benhaiem, Co-Leiterin des Serengeti-Hyänen-Projekts, erklärt: „Wir vermuten, dass dies auf Unterschiede im Verhalten bei der Nahrungssuche zurückzuführen ist. Rangniedrige Weibchen müssen dafür häufiger lange Strecken zurücklegen – und haben daher einen erheblich höheren Energiebedarf für die Nahrungsbeschaffung – als ranghohe Weibchen, die Ressourcen in ihrem Clanterritorium monopolisieren.“ Interessanterweise waren diese Gene bei rangniedrigen Weibchen im Erwachsenenalter mehr methyliert („hypermethyliert“), nicht jedoch bei den Jungtieren. Dies passt insofern, da erst die erwachsenen Weibchen mit niedrigem Rang mit den hohen energetischen Kosten des häufigen Pendelns über große Entfernungen umgehen müssen – ein Verhalten, das die Jungtiere noch nicht zeigen. „Obwohl die genauen physiologischen Folgen der beobachteten Hypermethylierung noch untersucht werden müssen, stimmen diese Ergebnisse mit unseren Beobachtungen überein und weisen auf die gesuchte fehlende Verbindung zwischen sozialen und physiologischen Faktoren hin“, schließen Weyrich und Benhaiem.

Die Analysen bauen auf der bereits 1987 begonnenen Langzeitforschung an Tüpfelhyänen in der Serengeti auf. Die Weibchen in dieser Untersuchung sind individuell bekannt und die Forschenden verfolgen den sozialen Rang der Hyänen über Generationen hinweg. Dies bot ideale Bedingungen, um die Zusammenhänge zwischen epigenetischen Veränderungen, Verhalten, physiologischen Faktoren und Fitness im Sinne von Überleben und Fortpflanzung in einer Wildpopulation zu untersuchen. Die Verwendung eines nicht-invasiv gesammelten Fäkalproben sei eine der Stärken der Untersuchung, stellen die Autorinnen und Autoren fest. „Die im nächsten Schritt von uns verwendete Capture-Methylierungsmethode reichert sowohl methylierte DNS als auch Säugetier-DNS an, was die Menge an Hyänen-DNS gegenüber bakterieller DNS und die Qualität der Sequenzierdaten verbesserte“, erklärt Weyrich.

Die DNS-Methylierung ist eine chemische Veränderung der Grundbausteine des genetischen Materials einer Zelle. Diese Veränderung wird durch die Übertragung von Methylgruppen auf Nukleobasen an bestimmten Positionen in der DNS ermöglicht. Da die Grundstruktur der jeweiligen Nukleobase nicht verändert wird, handelt es sich bei der DNS-Methylierung nicht um eine genetische Mutation, sondern um eine Modifikation, die festlegt, ob dieser Teil des Erbguts von der Zelle aktiviert werden kann oder abgeschaltet ist. Die DNS-Methylierung ist die wichtigste epigenetische Veränderung und damit ein zentraler Bestandteil der genetischen Information einer Zelle. 
Tüpfelhyänen sind sehr soziale Tiere und ein hervorragendes Beispiel für statusbedingte Unterschiede, die mit Unterschieden in physiologischen Prozessen und der Gesundheit einhergehen. In Hyänenclans dominieren Weibchen und ihr Nachwuchs alle neu einwandernden Männchen, wobei der soziale Status von den Müttern an die Jungtiere „vererbt“ wird. Der soziale Status ist also stabil und vorhersehbar, weil er durch Familienbeziehungen und Verhaltenskonventionen bestimmt wird. 

„Außerdem werden die Auswirkungen des sozialen Status auf den Lebensverlauf und die Gesundheit typischerweise über Generationen hinweg weitergegeben“, ergänzt Heribert Hofer, Direktor des Leibniz-IZW. Beispielsweise haben Weibchen mit hohem Rang vorrangigen Zugang zu den Ressourcen im Clanterritorium und müssen nicht so weite Wege zurücklegen wie rangniedrige Weibchen, um Nahrung zu finden. Sie sind daher viel häufiger im Gemeinschaftsbau anwesend und säugen ihre Jungen häufiger. Die von der Milch abhängigen Jungtiere profitieren in dieser frühen Phase ihres Lebens überproportional – sie wachsen schneller, haben eine höhere Überlebenschance und starten früher mit der Fortpflanzung als der Nachwuchs rangniedriger Weibchen. 

 

Originalpublikation

(Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit iDiv-Affiliation und Alumni fett)

Vullioud C, Benhaiem S, Meneghini D, Szyf M, Shao Y, Hofer H, East ML, Fickel J, Weyrich A (2024): Epigenetic signatures of social status in female free-ranging spotted hyenas (Crocuta Crocuta). Communications Biology. DOI: 10.1038/s42003-024-05926-y 

 

Ansprechpartner:

Dr Alexandra Weyrich(Englisch, Deutsch)
Post-Doktorandin
sDiv - Synthesezentrum
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Tel.: +49 341 9733224
E-Mail: alexandra.weyrich@idiv.de

 

Kati Kietzmann
Abteilung Medien & Kommunikation
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Tel.: +49 341 9739222
E-Mail: kati.kietzmann@idiv.de
Web: www.idiv.de/medien

 

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