12.07.2023 | iDiv, Medienmitteilung, TOP NEWS

Entlegene Pflanzenwelt

Die Pflanzenwelt Teneriffas weist eine überraschend hohe funktionelle Vielfalt auf. Im Hintergrund: der Pico del Teide, mit 3715 Metern der höchste Berg Spaniens.  (Bild: Holger Kreft)

Die Pflanzenwelt Teneriffas weist eine überraschend hohe funktionelle Vielfalt auf. Im Hintergrund: der Pico del Teide, mit 3715 Metern der höchste Berg Spaniens.  (Bild: Holger Kreft)

Inselpflanzen wie Wildprets Natternkopf (Echium wildpretii) zeigen faszinierende Anpassungen an ihre belebte und unbelebte Umwelt. Mittelgroße, langsam wachsende, verholzte Sträucher dominieren die Pflanzenwelt Teneriffas, zeigt die Studie.  (Bild: José María Fernández-Palacios)

Inselpflanzen wie Wildprets Natternkopf (Echium wildpretii) zeigen faszinierende Anpassungen an ihre belebte und unbelebte Umwelt. Mittelgroße, langsam wachsende, verholzte Sträucher dominieren die Pflanzenwelt Teneriffas, zeigt die Studie.  (Bild: José María Fernández-Palacios)

Erstautorin Dr. Paola Barajas Barbosa bei der Feldforschung auf Teneriffa. (Bild: Paola Barajas Barbosa)

Erstautorin Dr. Paola Barajas Barbosa bei der Feldforschung auf Teneriffa. (Bild: Paola Barajas Barbosa)

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Internationales Forschungsteam vergleicht Insel- und Festlandpflanzen in Form und Funktion

Basiert auf einer Medienmitteilung der Universität Göttingen

Ozeanische Inseln sind beliebte Modellsysteme in der Ökologie, Biogeografie und Evolutionsforschung. Viele bahnbrechende Erkenntnisse entstammen dem Studium von Arten auf Inseln und deren Wechselspiel mit ihrer belebten und unbelebten Umwelt – auch Darwins Evolutionstheorie. Nun hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Universität Göttingen und mit Beiteilung von Forschenden des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) in einer großen Feldstudie die Pflanzenwelt der Kanarischen Insel Teneriffa untersucht. Die Ergebnisse sind anders als erwartet: Die Flora der Insel weist eine bemerkenswerte Vielfalt an funktionellen Merkmalen auf. Die Pflanzen weichen aber in funktioneller Hinsicht wenig von Pflanzen des Festlands ab. Doch anders als die Flora des Festlands wird die Flora Teneriffas von langsam wachsenden, verholzten Sträuchern mit einer konservativen Lebensstrategie dominiert. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature erschienen. 

Die Forschenden untersuchten, wie sich die Pflanzen Teneriffas in funktioneller Hinsicht von Pflanzen aus anderen Teilen der Welt unterscheiden. Sie führten mit den modernsten Methoden der funktionellen Ökologie umfangreiche Feldforschungen und Messungen an über 500 Standorten durch. Die Standorte lagen verstreut über die gesamte Insel in Höhenlagen vom Meeresspiegel bis zu Gebirgsregionen über 3300 Meter. Die Beteiligten erfassten etwa 80 Prozent der einheimischen Samenpflanzen Teneriffas und erhoben acht Pflanzenmerkmale: Pflanzengröße, spezifische Holzdichte, Blattdicke, absolute und spezifische Blattfläche, Blatttrockenmasse, Stickstoffkonzentration im Blattgewebe sowie Samengewicht. Sie verglichen ihre Daten mit den Daten zu mehr als 2000 Pflanzenarten, die auf dem Festland vorkommen.

„Unsere Studie zeigt erstmals und entgegen jeder Erwartung, dass Artengruppen, die sich auf den Kanarischen Inseln evolutiv entfaltet haben, nicht zur Erweiterung des Merkmalsraums beitragen – also nicht zu mehr funktioneller Vielfalt führen“, erläutert der Leiter der Studie, Prof. Dr. Holger Kreft, von der Abteilung Biodiversität, Makroökologie und Biogeographie der Universität Göttingen. Bisherige Vergleiche zeigen, dass sich auf Inseln vorkommende Arten deutlich von ihren Verwandten auf dem Festland unterscheiden können. Ein bekanntes Beispiel liefert die Galapagos-Riesenschildkröte: Die Art kommt nur auf den Galapagos-Inseln vor und ist, infolge der Anpassung an ihre Umweltbedingungen, viel größer als Schildkröten des Festlands. Ähnliche Unterschiede erwartete das Forschungsteam zwischen Insel- und Festlandspflanzen, doch das traf nicht zu. „Wir sehen vielmehr, dass die meisten Arten den klimatischen Zwängen des Inselklimas folgen. So entwickeln sich mittelgroße, verholzte Arten. Diese gehen eher konservativ mit den begrenzten Ressourcen auf der Insel um. Das heißt, sie wachsen langsam. Die hohe funktionelle Vielfalt geht vor allem auf die Arten zurück, die auf der Insel weit verbreitetet sind“, so Kreft. 

„Zu Beginn unserer Forschung gingen wir davon aus, dass Inselpflanzen fundamentale Unterschiede zeigen und sich aufgrund der geografischen Isolation durch eine eher niedrige funktionelle Vielfalt auszeichnen“, erklärt die Erstautorin Dr. Paola Barajas Barbosa, die mittlerweile am iDiv forscht. Die Ergebnisse sind Teil ihrer Doktorarbeit, die sie an der Universität Göttingen anfertigte. „Umso mehr überraschte uns, dass die Flora von Teneriffa eine vergleichsweise hohe funktionelle Vielfalt aufweist.“

 

Originalpublikation
(Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit iDiv Affiliation und Alumni fett gedruckt)

Martha Paola Barajas Barbosa, Dylan Craven, Patrick Weigelt, Pierre Denelle, Rüdiger Otto, Sandra Díaz, Jonathan Price, José María Fernández-Palacios, Holger Kreft (2023). Assembly of functional diversity in an oceanic island flora. Nature. DOI: 10.1038/s41586-023-06305-z

 

Ansprechpartner:

Dr. Martha Paola Barajas Barbosa
Biodiversitätssynthese
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Tel.: +49 341 9733254
E-Mail: paola.barajas@idiv.de

 

Prof. Dr. Holger Kreft
Georg-August-Universität Göttingen
Abteilung Biodiversität, Makroökologie und Biogeographie
Tel.: +49 551 39-28757
E-Mail: hkreft@uni-goettingen.de

 

Kati Kietzmann
Abteilung Medien & Kommunikation
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Tel.: +49 341 9739222
E-Mail: kati.kietzmann@idiv.de

 

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