Basiert auf einer Medienmitteilung der Universität Leipzig
Die für den Leipziger Auwald und andere deutsche Eichenwälder typischen Stieleichen können sich wegen Lichtmangels im Unterwuchs kaum noch verjüngen. Ein Grund dafür sind fehlende Überflutungen in Auwäldern. Forschende der Universität Leipzig und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) haben in einem zweijährigen Eichenexperiment im Leipziger Auwald herausgefunden, dass das aktuelle Baumsterben in Folge von Dürren und Schädlingsausbreitung in Kombination mit einer Ausdünnung bestimmter Arten im Unterwuchs für die Eichenverjüngung genutzt werden kann. Ihre Studie haben sie im Journal „Forest Ecology and Management“ veröffentlicht. Passend zu dieser Thematik ist der 16. April der Tag des Leipziger Auwaldes.
„Das ist ein vielversprechender neuer Ansatz für die Walddynamik, die sich durch den Klimawandel grundlegend verändert hat“, erklärt Annalena Lenk vom Institut für Biologie der Universität Leipzig, die Erstautorin des Papers. Das Ausbleiben der Eichenverjüngung sowie der schlechte hydrologische Zustand vieler Auen seien flächendeckende Probleme in Mitteleuropa. Durch die Expansion Leipzigs in die Aue und die Kanalisierung von Flüssen beispielsweise ging die auentypische Überflutungsdynamik verloren. Dies habe die Verbreitung von überflutungsintoleranten Baumarten wie Berg- und Spitzahorn begünstigt. Deren dichtes Kronendach verdunkle den Waldboden massiv und erschwere die Verjüngung von Arten mit hohem Lichtbedarf wie der Stieleiche. Sie spielt Lenk zufolge eine Schlüsselrolle für den Artenschutz, da sie zahlreichen anderen Lebewesen wie Insekten, Pilzen, Vögeln, Fledermäusen und Flechten als Lebensraum dient.
Derzeit lässt sich jedoch ein neuer struktureller Wandel im Wald beobachten. Die Trockenheit vergangener Jahre und die Ausbreitung von Schädlingen vielerorts in Europa und auch in Leipzig haben zu einem drastischen Anstieg der Baumsterblichkeit geführt. Dies hat eine erhebliche Öffnung der Waldbestände zur Folge, was einerseits die natürliche Verjüngung lichtbedürftiger Baumarten wie der Stieleiche begünstigen könnte. Andererseits können sich aber auch dominantere Baumarten wie die Ahorne verstärkt ausbreiten.
Die Forschenden haben untersucht, wie sich diese aktuellen strukturellen Veränderungen im Auwald auf die Stieleichenverjüngung auswirken und sich mit Pflegemaßnahmen kombinieren lassen. Dabei haben sie ausgewertet, welchen Einfluss verschiedene forstliche Pflegemaßnahmen und die damit verbundene Verfügbarkeit von Licht auf das Bestandsmikroklima und die Etablierung der Stieleiche haben. Sie legten auf Waldflächen mit einer relativ gesunden oberen Baumschicht und auf Waldflächen mit vielen toten und kranken Bäumen im Leipziger Auwald jeweils acht Forschungsflächen an. Pro Forschungsfläche wurden auf zwei Teilflächen kleinräumig die überflutungsintoleranten Baumarten Berg- und Spitzahorn sowie Holunder aus dem unteren Bewuchs entfernt. Die jeweils anderen zwei Teilflächen blieben unbehandelt. Auf diesen sowie auf acht aus dem Leipziger Forstmanagement bereits bestehenden Femelschlägen (forstliche Auflichtungen von 0,13 bis 0,72 Hektar mit jungen Eichenanpflanzungen) haben die Wissenschaftler:innen Anfang 2022 insgesamt 1.200 einjährige Eichen in Verbissschutzgittern, sowie 80 etwa fünf-jährige Eichen gepflanzt und diese über zwei Jahre in ihrer Entwicklung beobachtet.
„Ende 2022 haben wir bereits abgestorbene Eichen mit neuen Pflanzungen ersetzt. Wir haben in beiden Jahren im Sommer den Kronendurchmesser und im Winter die Höhe und den Wurzelhalsdurchmesser der Eichen gemessen, um ihr Wachstum berechnen zu können“, beschreibt Annalena Lenk die Methodik. Zudem seien die Eichen anhand von Blattproben auf Trockenstress untersucht worden.
Bei ihrem Eichenexperiment stellten die Forschenden fest: „Waldflächen mit hoher Baumsterblichkeit im Oberstand können gut für die Förderung von Stieleichenverjüngung genutzt werden – allerdings nur, wenn der Ahorn im Unterstand entfernt wird. Der Ahorn ist flächendeckend vorhanden. Weil sein Wachstum schneller anspringt, überwächst und beschattet er die Eichen.“, sagt Koautor Christian Wirth, iDiv-Gründungsdirektor und Professor an der Universität Leipzig. Ohne die überflutungsintoleranten Arten konnten die Eichen von der stärkeren Lichteinstrahlung profitieren und sich gut entwickeln, da die Baumwipfel durch das Waldsterben gelichtet waren.
„Im Vergleich zu den Femelflächen, zeigte sich, dass die Anpflanzungen auf den aufgelichteten Waldflächen weniger mit Trockenstress zu kämpfen hatten, was v.a. auf die höhere Luftfeuchtigkeit zurückzuführen war. Die Eichen profitieren zwar von steigender Lichtverfügbarkeit, dieser positive Zusammenhang wird aber durch Trockenstress abgeschwächt“, erläutert Annalena Lenk. Die Lichtverhältnisse und mikroklimatischen Bedingungen auf den Flächen mit hoher Baumsterblichkeit im Oberstand und artspezifischer Ausdünnung im Unterstand scheinen mit einer ausgewogenen Kombination aus ausreichend Licht und einem stabilen Waldmikroklima, auch in einem Dürrejahr, förderlich für die Eichenverjüngung zu sein.
Die Forschungsergebnisse können in der Praxis für ein klimawandelangepasstes Waldmanagement zur Biodiversitätsförderung, auch als ergänzende Maßnahme zu künftigen Überflutungen, in Betracht gezogen werden. Die Forschungsflächen sind als langfristige Beobachtungsflächen angelegt, sodass in den nächsten Jahren weiterhin Daten aufgenommen werden können. So soll im nächsten Jahr eine Masterarbeit, die sich mit den Auswirkungen der verschiedenen Managementmethoden und damit Lichteinflüsse auf die Krautschicht beschäftigen wird, entstehen. Der Einfluss des Klimawandels auf Vegetationsprozesse und umgekehrt die Wirkung der Vegetation auf das Klima sind Gegenstand der Exzellenzbewerbung Breathing Nature der Universität Leipzig. Der Leipziger Auwald ist in diesem Verbundprojekt eine wichtige Forschungsplattform.
Originalpublikation
(Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit iDiv-Affiliation fett hervorgehoben)
, Sophia Waha, Christian Wirth (2025). Elevated tree mortality as a regeneration niche for oak? Testing different management approaches in a meliorated floodplain forest“, DOI:
Ansprechpersonen
Annalena Lenk
Institut für Biologie
Universität Leipzig
Telefon: +49 341 9738585
E-Mail: annalena.lenk@uni-leipzig.de
Kati Kietzmann
Medien und Kommunikation
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Telefon: +49 341 97 39222
E-Mail: kati.kietzmann@idiv.de
Eiche im Verbiss-Schutz Juni 2024
Forschungsfläche mit hoher Mortalität im Oberstand und artspezifischer Ausdünnung im Unterstand