Mehr als 90 Prozent des lokalen Insektenbiomasse‑Rückgangs in deutschen Grünlandflächen (Wiesen und Weiden) lassen sich auf Artenverluste zurückführen.

Die in der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution veröffentlichten Ergebnisse beruhen auf Daten von zwei Forschungsprojekten, in denen Forschende über einen Zeitraum von elf Jahren Arthropoden – Insekten und Spinnen – gezählt, bestimmt und ihre Masse berechnet haben. In der Studie bezieht sich die Gesamtbiomasse auf das Gewicht der Arthropoden in einer Gemeinschaft, also das Gesamtgewicht aller Insekten und Spinnen in den untersuchten Ökosystemen.

Das internationales Forschungsteam unter der Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena, stellte fest, dass der Rückgang der Biomasse im Lauf der Zeit hauptsächlich auf das Verschwinden häufiger Arten zurückzuführen ist. Das Verschwinden seltener Arten oder Rückgänge der Abundanz – also der Zahl der Individuen – innerhalb verbleibender Arten spielten dagegen eine weitaus geringere Rolle.

„Unsere Ergebnisse sind in zweierlei Hinsicht besorgniserregend: Zum einen nahm die Gesamt-Biomasse der Arthropoden ab, und zum anderen sind auch die Arten weniger und in ihren jeweiligen Beiträgen zur Biomasse immer ähnlicher geworden“, erklärt Dr. Benjamin Wildermuth von iDiv und der Universität Jena, Erstautor der Studie. „Am Ende des Untersuchungszeitraums war der Artenverlust, unabhängig von Seltenheit oder Größe, der Hauptgrund für den Biomasse-Rückgang.“

Daten zur Biomasse erhoben unter unterschiedlichen Bewirtschaftungsbedingungen

Die Daten der Studie stammen von zwei Forschungsprojekten in Deutschland: dem Jena-Experiment, das Grünland mit kontrollierten Pflanzenartenzahlen untersucht, und den Biodiversitäts-Exploratorien, Beobachtungsgebiete, in denen Grünland unterschiedlicher Nutzungsintensität erfasst wird.

Die Forscherinnen und Forscher verwendeten ökologische Modellierungen, um die Veränderungen der Biomasse von Arthropoden im Laufe der Jahre zu verfolgen. Dabei stellten sie die Frage, ob der Rückgang der Biomasse von Arthropoden eher davon bestimmt wird, wie viele Arten verschwinden, oder davon, welche Arten verloren gehen bzw. ersetzt werden. Sie untersuchten auch die Auswirkungen des Rückgangs der Abundanz bei den verbleibenden Arten. Diese Unterscheidungen, insbesondere zwischen der Zahl der verlorenen Arten und der Identität dieser Arten, sind ein wichtiges und einzigartiges Merkmal der Studie.

In den ersten Jahren zeigten die Daten, dass die Identität der Arten eine Rolle spielte: Der Verlust seltener, aber größerer Arten hatte einen überproportionalen Einfluss auf die Veränderung der Biomasse und dämpfte den Rückgang der Gesamtbiomasse. Ein Beispiel hierfür ist der Unterschied zwischen dem Verlust einer großen, aber seltenen Heuschrecke und einem kleinen, aber häufig vorkommenden Flohkäfer, wobei es sich hierbei nur um ein Beispiel handelt, das nicht aus der Studie selbst stammt. Später trugen alle Arten gleichermaßen zum Rückgang der Biomasse bei. Die Forschenden fanden auch heraus, dass der Rückgang der Häufigkeit innerhalb der verbleibenden Arten im Laufe der Zeit nur fünf bis acht Prozent des Rückgangs ausmacht.

Eine weitere Erkenntnis war, dass eine hohe Pflanzenartenzahl und eine geringe Nutzungsintensität größere Gemeinschaften von Arthropoden förderten – in Bezug auf Biomasse, Artenvielfalt und Abundanz – und dazu führten, dass sich die Biomasse auf viele Arten unterschiedlicher Größe und Abundanz verteilte.

Jede Art ist wichtig

Arthropoden sind ein unverzichtbares Glied in den Nahrungsnetzen von Grünland. Wenn die Gesamtbiomasse abnimmt und sich auf wenige Arten konzentriert, verlieren die Lebensgemeinschaften an Vielfalt und werden anfälliger für Umweltbelastungen. 

Hintergrund der Studie war die Sorge, dass eine abnehmende Arthropodenbiomasse die Nahrungsnetze schwächen und die Funktionen der Ökosysteme stören könnte – vom Nährstoff- und Kohlenstoffkreislauf bis hin zum Energiefluss zu Arten, die sich von Arthropoden ernähren.

„Unsere Studie zeigt erneut, dass ein wirksamer Naturschutz einen ganzheitlichen Ansatz erfordert“, sagt iDiv-Mitglied Dr. Anne Ebeling von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Senior-Autorin der Studie. „Jede Art spielt eine Rolle für das Funktionieren eines Ökosystems, daher können wir es uns nicht leisten, auch nur eine davon zu verlieren.“

Die Autorinnen und Autoren sehen eine mögliche Strategie gegen die Abnahme der Arthropoden-Vielfalt darin, Grünland zu diversifizieren und bestehendes, artenreiches Grünland zu erhalten. Sie weisen jedoch darauf hin, dass die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren sind, da nur lokale Arthropodengemeinschaften in Grünland gemäßigter Breiten untersucht wurden.

 

Originalpublikation

(Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit iDiv-Affiliation fett gedruckt)

Wildermuth, B., Bröcher, M., Ladouceur, E., Meyer, S. T., Schielzeth, H., Staab, M., Achury, R., Blüthgen, N., Hertzog, L., Hines, J., Roscher, C., Schweiger, O., Weisser, W. W., Ebeling, A. (2025). Arthropod species loss underpins biomass declines. Nature Ecology & Evolution. DOI: https://doi.org/10.1038/s41559-025-02909-y

Ansprechpartner

Dr. Benjamin Wildermuth
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Friedrich-Schiller Universität Jena
E-Mail: benjamin.wildermuth@idiv.de

Christine Coester
Medien und Kommunikation
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Telefon: +49 341 9733197
E-Mail: christine.coester@idiv.de

Die untersuchten Insekten unterschieden sich hinsichtlich ihrer Biomasse.

Teil der Daten wurden beim Jena-Experiment erhoben, einem der zwei Forschungsprogrammen, die in der Studie vorkommen.

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