06.02.2018 | TOP NEWS, Forschung, sDiv

Bis zu 16 Prozent der Tier- und Pflanzenarten sind potentielle Auswanderer

Die Nilgans (Alopochen aegyptiaca) ist ein Neobiota aus Afrika und seit einigen Jahrzehnten in Mitteleuropa heimisch. Foto: Tim Blackburn

Hinweis für die Medien: Die von iDiv bereitgestellten Bilder dürfen ausschließlich für die Berichterstattung im Zusammenhang mit dieser Medienmitteilung und unter Angabe des/der Urhebers/in verwendet werden.
Frankfurt am Main/Leipzig. Weltweit nimmt die Ausbreitung nicht-einheimischer Tier- und Pflanzenarten rasant zu. Ein internationales Team unter Leitung des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums (BIK-F) und mit Beteiligung des Forschungszentrums iDiv hat jetzt herausgefunden, dass jede vierte neu beobachtete Art erstmals außerhalb ihres Heimatgebietes registriert wurde. Bis zu 16 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten haben das Potential, vom Menschen in andere Gebiete verschleppt  zu werden. Angesichts dessen erfordert die Kontrolle nicht-einheimischer Arten, die erhebliche Risiken für Mensch und Umwelt bergen,  deutlich höhere Anstrengungen als bisher, schreiben die Autoren im renommierten Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“. Nicht-einheimische Tier- und Pflanzenarten - sogenannte Neobiota - sind weltweit auf dem Vormarsch. Allein in den Jahren 2000 bis 2005 hat weltweit die Zahl an Nachweisen nicht-einheimischer Arten einen neuen Höchststand erreicht. Tendenz weiter steigend. Da einige dieser Arten zum Problem werden könnten, versucht die Europäische Union Gegenmaßnahmen zu ergreifen, in dem sie eine Liste der 49 aggressivsten Neobiota erstellt hat. Nur dürfte dieser Ansatz, der auf bekannte, nicht-einheimische Arten abzielt, zu kurz greifen, wie eine internationale Forschergruppe festgestellt hat. Der Leiter der Studie, Dr. Hanno Seebens, Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BIK-F), dazu: „In den Jahren von 2000 bis 2005 wurde jede vierte in einem Land neu registrierte, nicht-einheimische Tier- und Pflanzenart erstmals als Neobiota nachgewiesen. Solche Neuzugänge unter den Neobiota stehen daher per se noch nicht auf der EU-Liste.“ Ein Rückgang der biologischen Neuzugänge ist nicht in Sicht, denn obwohl die Anzahl nicht-einheimischer Arten stark zugenommen hat, ist der Anteil neuer Neobiota daran über die letzten 150 Jahre ungefähr gleichgeblieben. Herausgefunden haben das die Forscher, indem sie einen globalen Datensatz mit rund 46.000 Einträgen von Sichtungen nicht-einheimischer Tier- und Pflanzenarten ausgewertet haben. Die Daten decken grob den Zeitraum der letzten fünfhundert Jahre ab – eine Zeit in der Mensch in zunehmenden Maße auch entlegene Regionen erschlossen hat. Über genau diese neu geschaffenen Straßen, Schiffspassagen und Flugrouten werden heute Tier- und Pflanzenarten durch den Menschen unbeabsichtigt oder beabsichtigt in neue Gebiete eingeführt. Ein Modell, das auf dem umfangreichen Datensatz basiert,  zeigt zudem, dass es mit der Ankunft neuer Neobiota noch nicht vorbei sein dürfte. Dr. Franz Essl von der Universität Wien, Senior-Autor der Studie, dazu: „Wir haben errechnet, dass zwischen einem und 16 Prozent aller existierenden Tier- und Pflanzenarten potentiell das Zeug dazu haben, sich mit Hilfe des Menschen außerhalb ihrer Heimat anzusiedeln. Das geringste Potential haben Weichtiere wie Schnecken und Muscheln, das größte Potential haben Säugetiere“. „Bei den Säugetieren ist es besonders bedenklich, da wir wissen, dass sich diese besonders häufig erfolgreich etablieren und ökologische und ökonomische Schäden verursachen können. Ein Phänomen, das gerade auf Inseln sehr stark ausgeprägt ist“, erklärt Dr. Marten Winter vom Forschungszentrum iDiv in Leipzig, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. Dieser Pool an potentiellen Neobiota ist längst noch nicht leer. Mehr noch: Dank des sich immer weiter ausdehnenden Verkehrsnetzes haben immer mehr Arten überhaupt die Gelegenheit, in neue Gebiete eingeschleppt zu werden. „Die große Herausforderung ist nun, durch Handelsregelungen und Zollinspektionen die zunehmende Verschleppung von Neobiota zu reduzieren. Dabei geht es um jene nicht-einheimischen Arten, die problematisch werden könnten. Dies erfordert deutlich höhere Anstrengungen als bisher“, fasst Seebens zusammen. Die Pressemitteilung und Bildmaterial finden Sie auch unter https://www.senckenberg.de/presse
Originalpublikation: Hanno Seebens, Tim M. Blackburn, Ellie E. Dyer Piero Genovesi Philip E. Hulme, Jonathan M. Jeschke, Shyama Pagad, Petr Pyšek, Mark van Kleunen, Marten Winter, Michael Ansong, Margarita Arianoutsou, Sven Bacher, Bernd Blasius, Eckehard G. Brockerhoff, Giuseppe Brundu, César, Capinha Charlotte E. Causton, Laura Celesti-Grapow, Wayne Dawson, Stefan Dullinger, Evan P. Economo, Nicol Fuentes, Benoit Guénard, Heinke Jäger, John Kartesz, Marc Kenis, Ingolf Kühn, Bernd Lenzner, Andrew Liebhold, Alexander Mosena, Dietmar Moser, Wolfgang Nentwig, Misako Nishino, David Pearman, Jan Pergl, Wolfgang Rabitsch, Julissa Rojas-Sandoval, Alain Roques, Stephanie Rorke, Silvia Rossinelli, Helen E. Roy, Riccardo Scalera, Stefan Schindler, Kateřina Štajerová, Barbara Tokarska-Guzik, Kevin Walker, Darren F. Ward, Takehiko Yamanaka & Franz Essl (2018): Global rise in emerging alien species results from increased accessibility of new source pools. Proceedings of the National Academy of Sciences. doi: 10.1073/pnas.1719429115
http://www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1719429115   Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Invasion Dynamics Network, Austrian Science Fund (FWF), COST Action TD1209 “Alien Challenge”, Galapagos Conservancy, Czech Academy of Sciences (AVCR), Czech Science Foundation (GACR), New Zealand MBIE core funding, Polish National Science Centre (NCN), Portuguese Foundation for Science and Technology (FCT), Fondo Nacional de Desarrollo Científico y Tecnológico (Fondecyt), Leverhulme Trust, King Saud University, Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), Okinawa Institute of Science and Technology Graduate University (OIST) und Ministry of Business, Innovation and Employment (MBIE) New Zealand.

Ansprechpartner

Dr. Hanno Seebens
Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum
Tel. +49 (0)69 7542 1874
http://www.bik-f.de/root/index.php?page_id=1070

Mag. Dr. Franz Essl
Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien
Mobil +43-676-6091638
http://cvl.univie.ac.at/department/Staff/staff_detail.cfm?Nachname=Essl

und
Dr. Marten Winter
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv)
Tel.: +49 (0)341 9733129
https://www.idiv.de/en/the-centre/employees/details/eshow/winter-marten.html

sowie
Sabine Wendler
Pressestelle
Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum
Tel. +49 (0)69- 7542 1818
http://www.bik-f.de/root/index.php?page_id=35

und
Dr. Volker Hahn
Medien und Kommunikation
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv)
Tel.: +49 341 9733154
Web: https://www.idiv.de/groups_and_people/employees/details/eshow/hahn-volker.html

 

 

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