31.08.2021 | Medienmitteilung, iDiv-Mitglieder, Evolutionäre und anthropozäne Ökologie, Evolution und Adaptation, TOP NEWS

Den zukünftigen Lebensraumbedarf von Schimpansen zeigt die Vergangenheit

Schimpansen kommen in vier Unterarten in 21 afrikanischen Ländern vom Tiefland bis in bergregionen von bis zu 2800 m Höhe vor. Ihre Evolution wurde maßgeblich durch die Eiszeiten geprägt. (Bild: Pixabay)

Schimpansen kommen in vier Unterarten in 21 afrikanischen Ländern vom Tiefland bis in bergregionen von bis zu 2800 m Höhe vor. Ihre Evolution wurde maßgeblich durch die Eiszeiten geprägt. (Bild: Pixabay)

Hinweis für die Medien: Die von iDiv bereitgestellten Bilder dürfen ausschließlich für die Berichterstattung im Zusammenhang mit dieser Medienmitteilung und unter Angabe des/der Urhebers/in verwendet werden.

Neue Modelle verdeutlichen die wichtige Rolle von Gletscherrefugien bei der Evolution von Schimpansen

Basiert auf einer Medienmitteilung der Wildlife Conservation Society

Leipzig. Eine neue Studie gibt Aufschluss darüber, an welche Orte sich Schimpansen zum Schutz vor der Klimainstabilität während der Eis- und Zwischeneiszeiten in Afrika in den letzten 120.000 Jahren zurückzogen. Unter Verwendung bioklimatischer Variablen identifizierte das internationale Forscherteam unter Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) und der Universität Leipzig (UL) bisher unbekannte Lebensräume, in denen Schimpansen die Veränderungen seit der letzten Zwischeneiszeit überstanden haben. Die Ergebnisse, die im American Journal of Primatology veröffentlicht wurden, tragen dazu bei, das Verständnis dafür zu verbessern, wie sich der Klimawandel auf die Biodiversität auswirkt und wie der prognostizierte Verlust der Biodiversität in der Zukunft abgemildert werden kann. 

Für ihre Analyse stellten die Autoren über 130.000 Vorkommensdatensätze von Schimpansen (Pan troglodytes) aus der A.P.E.S.-Datenbank der International Union for Conservation of Nature (IUCN) Species Survival Commission (SSC) und dem Pan African Programme: The Cultured Chimpanzee (PanAf) am MPI-EVA und iDiv zusammen.

Die Forscher quantifizierten die Eignung von Schimpansen-Lebensräumen anhand von Artenverteilungsmodellen auf der Grundlage von Daten zu Vorkommens-, Klima- und Bevölkerungsdichte. Diese Modelle projizierten sie dann auf zeitliche Momentaufnahmen von Klimarekonstruktionen in Intervallen von bis zu 1000 Jahren, die bis in die letzte Zwischeneiszeit (vor 120.000 Jahren) zurückreichen. Erstmals gelang es, ein dynamisches Modell zur Eignung von Lebensräumen über die Zeit zu erstellen, mit dem die Langzeitstabilität etwa von Gletscherrefugien berechnet werden kann.

Die Ergebnisse zeigen, dass Gletscherrefugien in ganz Afrika für Schimpansen möglicherweise unterschätzt wurden. Die Forscher errechneten potenziell bis zu 60.000 zusätzliche Quadratkilometer in den Upper- und Lower Guinea Forests in West- und Zentralafrika und dem Albertine Rift in Ostafrika. Darüber hinaus liefern die Ergebnisse eindeutige Erkenntnisse über den Lebensraum der Schimpansen und darüber, wie er sich im Laufe der Zeit verändert haben könnte. Dies ermöglicht es den Forschern, Hypothesen über die Auswirkungen des globalen Wandels auf die genetische und verhaltensbezogene Vielfalt zu prüfen.

„Indem wir frühere Schätzungen zum Klima, zur menschlichen Bevölkerungsdichte sowie des Artenreichtums tropischer Schlüsselpflanzen wie Feigen und Palmen einbezogen haben, liefert unsere Studie starke Beweise dafür, dass die eiszeitlichen Rückzugsräume für Schimpansen geografisch größer sind als bisher angenommen“, sagt der Erstautor der Studie Dr. Chris Barratt, Postdoktorand am iDiv, am MPI-EVA und der UL. „Es kann gut sein, dass einige dieser Refugien ein höheres Schutzniveau benötigen, als sie derzeit erhalten, da sie für den Fortbestand von Populationen und Arten in Zeiten des globalen Wandels wichtig sind.“

Die Studie trägt wesentlich zum Verständnis von Mustern der genetischen und Verhaltensvielfalt bei Schimpansen bei. Die Primaten weisen eine hoch differenzierte genetische Vielfalt auf. So ist sie etwa niedriger in Westafrika und höher in Ost- und Zentralafrika). Außerdem ein hohes Maß an verschiedenen Verhaltensformen, abhängig von der Struktur ihrer Umwelt, einschließlich pleistozäner Waldrefugien.

„Wir fangen erst an zu verstehen, wie frühere Umweltveränderungen die Vielfalt der Menschenaffen beeinflusst haben, die wir heute finden“, sagt Letztautor Dr. Hjalmar Kühl, Forschungsgruppenleiter am iDiv und MPI-EVA. „Ein besseres Verständnis dieser Prozesse kann uns Auskunft darüber geben, wann sich verändernde Umgebungen als Motoren der Diversifizierung dienen und wann nicht. Letztendlich bieten diese Einblicke in die Menschenaffen auch Einblicke in unsere eigene Evolution.“

„Um Schimpansen und andere Arten über die kommenden Jahrhunderte zu erhalten, ist es wichtig, die Vergangenheit zu verstehen“, sagt Mitautorin Fiona Maisels von der Wildlife Conservation Society. „Der Mensch verändert das Klima des Planeten und seine Lebensräume immer schneller. Ansätze wie die in dieser Studie verwendeten sind von entscheidender Bedeutung, um vorherzusagen, wie sich diese Veränderungen auf die zukünftige Fülle und Verbreitung von Wildtieren auswirken und um Platz und Sicherheit für eine Vielzahl von Arten zu gewährleisten.“

Diese Forschungsarbeit wurde u.a. gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG; FZT-118).

 

Originalpublikation:
(Wissenschaftler mit iDiv-Affiliation fett)

Barratt, C. D., …, Onstein, R. E., Junker J., …, Sop, T., …, Arandjelovic, M. & Kühl, H. (2021): Quantitative estimates of glacial refugia for chimpanzees (Pan troglodytes) since the Last Interglacial (120,000 BP), American Journal of Primatology, DOI: 10.1002/ajp.23320

 

Ansprechpartner:

Dr. Christopher Barratt(spricht Englisch)
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
Universität Leipzig
Tel.: +49 341 9733113
E-Mail: christopher_david.barratt@idiv.de

 

Dr. Hjalmar Kühl
Leiter der Forschungsgruppe "Evolutionäre und anthropozäne Ökologie"
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA)
Tel.: +49 341 3550236
E-Mail: kuehl@eva.mpg.de
Web: www.idiv.de/de/gruppen_und_personen/mitarbeiterinnen/mitarbeiterdetails/eshow/kuehl_hjalmar.html

 

Sebastian Tilch
Abteilung Medien und Kommunikation
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Tel.: +49 341 97 33197
E-Mail: sebastian.tilch@idiv.de
Web: www.idiv.de/medien

 

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