23.02.2016 | TOP NEWS, Medienmitteilung

Unterirdische CO2-Speicherung: Risiken für Stoffkreisläufe im Boden

Für ihre Studie hatten die Forschenden Bodenorganismen und Stoffkreisläufe an einer natürlichen Kohlendioxidquelle (Mofette) und in einem Vergleichsboden untersucht. Foto: Felix Beulig, FSU

Für ihre Studie hatten die Forschenden Bodenorganismen und Stoffkreisläufe an einer natürlichen Kohlendioxidquelle (Mofette) und in einem Vergleichsboden untersucht. Foto: Felix Beulig, FSU

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Jena. Hohe Konzentration von Kohlendioxidgas in Böden kann die Ge­meinschaften von Bodenlebewesen langfristig stark verändern – und damit auch Prozesse im Ökosystem wie den unterirdischen Koh­lenstoffkreislauf und die Kohlenstoffspeicherung. Zu diesem Ergeb­nis kommt ein Team der Universitäten Jena, Wien, Greifswald, Oslo sowie des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie und des Deut­schen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) in einem Fachartikel, der in der ersten Ausgabe des Journals „Nature Microbiology“ veröffent­licht worden ist.Für ihre Studie hatten die Forschenden Bodenorganismen und Stoff­kreisläufe an einer natürlichen Kohlendioxidquelle (Mofette) und in einem Vergleichsboden untersucht. Die Ergebnisse erlauben Rück­schlüsse auf die Auswirkungen möglicher Lecks bei der CO2-Einlage­rung im Untergrund, die langfristig das Nahrungsnetz und den Stoff­wechsel im Boden verändern könnten. Je deutlicher die Dimensionen der globalen Erwärmung werden, umso grö­ßer wird auch der Druck, Möglichkeiten zu finden, um einen weiteren An­stieg der Konzentration von Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre zu ver­meiden. Dabei wird auch die Abscheidung und unterirdische Speicherung dieses Treibhausgases diskutiert. Doch welche Auswirkungen und Risiken hätten solche Speicher? Was passieren würde, wenn ein solcher Speicher undicht würde, lässt sich kaum durch praktische Versuche herausfinden. In den letzten Jahren ist da­her ein kleines Tal im tschechischen Bäderdreieck zu einer Art Freiland­labor geworden. Denn hier strömt in sogenannten Mofetten CO2 in großen Mengen natürlich aus der Tiefe. An diesen Spätfolgen des Vulkanismus lassen sich die Auswirkungen hoher CO2-Konzentrationen studieren, ohne dass der Mensch in die Natur eingreifen muss. Heilbäder wie Karlovy Vary (Karlsbad), Mariánské Lázne (Marienbad) oder Františkovy Lázně (Franzens­bad), aber auch die Kurorte Bad Elster und Bad Brambach in Sachsen ver­dan­ken ihre Existenz den vulkanischen Aktivitäten in früheren Zeiten. CO2 im Boden bewirkt, dass Bodentiere ausgeschlossen wurden Das Team unter der Leitung von Prof. Dr. Kirsten Küsel vom Lehrstuhl für Aqua­tische Geomikrobiologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) nahm rund um eine Mofette den Boden unter die Lupe, in dem die Luft durch bei­na­he reines CO2 geprägt war. Von 2012 bis 2014 sammelten die Forschen­den dreimal pro Jahr Proben. Diese verglichen sie anschließend mit Proben von einem Vergleichsboden ohne erhöhte CO2-Konzentration, der nur weni­ge Meter entfernt war. „In dem Boden von der Mofette fanden wir deutlich mehr organisches Material, also Reste von abgestorbenen Pflanzen und Tie­ren, die normalerweise von kleinen Bodentieren und von Einzellern, Bakte­rien und Pilzen abgebaut werden“, berichtet Dr. Felix Beulig von der Fried­rich-Schiller-Universität Jena, der inzwischen an der Universität Aarhus in Dänemark forscht. Durch moderne chemische und molekularbiologische Me­thoden konnten die Forschenden den Mechanismus aufdecken, der diese Ver­änderung bewirkt hatte: Das CO2 hatte die Lebensbedingungen im Boden so verändert, dass Bodentiere ausgeschlossen wurden und sich die Gemein­schaft der Mikroorganismen hin zu weniger vielfältigen, dafür aber höher spe­­zialisierten Arten verschoben hatte. Dadurch wurde das Nahrungsnetz im Boden weniger effizient beim Abbau von organischem Material, das sich da­raufhin im Boden angereichert hatte. Zudem konnte durch Isotopenmes­sun­gen gezeigt werden, dass im organischen Bodenmaterial große Mengen an Kohlenstoff aus dem Erdmantel gebunden war. Diesen hatten zuvor Pflan­zen und Mikroorganismen über das ausströmende CO2 aufgenommen. Sogenannte „omics“-Methoden hatten es den Forschenden erlaubt, gleich­zei­tig die gesamte in allen Bodenlebewesen vorhandene Erbinformation (DNA und RNA) bei ihrer Analyse zu berücksichtigen. Zudem konnte das Team feststellen, welche Erbinformation gerade aktiv genutzt wurde. Da­durch ließen sich Rückschlüsse auf jene Stoffkreisläufe im Boden ziehen, die Bindung und Abbau von Kohlenstoff beeinflussen. „Unsere Ergebnisse lassen darauf schließen, dass extrem hohe Konzentrationen von Kohlendioxid lang­fristig das Nahrungsnetz und den Stoffwechsel im Boden verändern“, erklärt Prof. Kirsten Küsel von der Friedrich-Schiller-Universität Jena und dem iDiv. Die umfassende Analyse mit einer Kombination von „omics“- und biogeoche­mischen Methoden wurde auch von Prof. Dr. Joshua Schimel von der Univer­sity of California in einem Kommentar hervorgehoben, der in der gleichen Aus­­gabe von „Nature Microbiology“ erschienen ist. Die untersuchte Mofette ist ein extremes Habitat, das lange als lebensfeind­licher Ort galt. Dass stark angepasste Organismen sich dort aber durchaus wohl fühlen, konnte das Forscherteam bereits im vorigen Jahr zeigen. Die aktuelle Studie brachte nun Einblicke in die komplexen Zusammenhänge zwischen Organismengemeinschaften und der Kohlenstoffdynamik im Bo­den. Die Ergebnisse werden helfen, die Umweltrisiken der unterirdischen CO2-Speicherung besser beurteilen zu können. [Tilo Arnhold, Tabea Turrini]  Publikationen: Felix Beulig, Tim Urich, Martin Nowak, Susan E. Trumbore, Gerd Gleixner, Gregor D. Gilfillan, Kristine E. Fjelland and Kirsten Küsel (2016): Altered carbon turnover processes and microbiomes in soils under long-term extremely high CO2 exposure. Nature Microbiology Vol. 1, Article number: 15025. 27 January 2016. doi:10.1038/nmicrobiol.2015.25 www.nature.com/articles/nmicrobiol201525Kommentar (“News and Views”) dazu: Joshua Schimmel (2016): Microbial ecology: Linking omics to biogeo­chemistry. Nature Microbiology Vol. 1, Article number: 15028. 27 January 2016. doi:10.1038/nmicrobiol.2015.28 http://www.nature.com/articles/nmicrobiol201528Weitere Informationen:Prof. Dr. Kirsten Küsel Lehrstuhl für Aquatische Geomikrobiologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena und stellvertretende Direktorin des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Tel. +49-(0)3641-949461 http://www.geomicrobiology.de/https://www.idiv.de/de/das_zentrum/mitarbeiterinnen/mitarbeiterdetails/eshow/kuesel-kirsten.html und Dr. Felix Beulig Friedrich-Schiller-Universität Jena derzeit Aarhus University (Dänemark) http://bios.au.dk/en/http://pure.au.dk/portal/en/persons/id%288b62ba4d-0479-4df2-9cf9-8d4c16cba6ec%29.htmlsowie Axel Burchardt, Pressestelle der FSU Jena Tel. +49-(0)3641-931030 http://www.uni-jena.de/pressestelle.htmlund Tilo Arnhold/Tabea Turrini, Pressestelle iDiv Tel.: +49-(0)341-9733-197, -106 http://www.idiv.de/de/presse/mitarbeiterinnen.htmlLinks: Leben für Spezialisten: im giftigen Atem schlafender Vulkane (Pressemitteilung der Friedrich-Schiller-Universität Jena vom 01.04.2015) https://www.uni-jena.de/Forschungsmeldungen/FM150401_Mofetten.html Wissenschaftler finden neue Erklärung für Schwarmbeben im Vogtland (Pressemitteilung des UFZ vom 22.09.2005) https://www.ufz.de/index.php?de=6141iDiv ist eine zentrale Einrichtung der Universität Leipzig im Sinne des § 92 Abs. 1 SächsHSFG und wird zusammen mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Friedrich-Schiller-Universität Jena betrieben sowie in Kooperation mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH – UFZ. Beteiligte Kooperationspartner sind die folgenden außeruniversitären Forschungs-einrichtungen: das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH – UFZ, das Max-Planck-Institut für Biogeochemie (MPI BGC), das Max-Planck-Institut für chemische Ökologie (MPI CE), das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (MPI EVA), das Leibniz-Institut Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ), das Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB), das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) und das Leibniz-Institut Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz (SMNG). http://www.idiv.de/de.html
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