05.03.2021 | Medienmitteilung, iDiv-Mitglieder, TOP NEWS, Nachhaltigkeit und Komplexität der Lebensräume von Menschenaffen

Schimpansen ohne Grenzen

Schimpansen von einer PanAf-Kamerafalle aufgenommen. Da die Schimpansen nicht an die Anwesenheit von Menschen gewöhnt waren, haben die Forschenden Kotproben als DNA-Quelle für die Studie verwendet. (Bild: PanAf/MPI-EVA)

Schimpansen von einer PanAf-Kamerafalle aufgenommen. Da die Schimpansen nicht an die Anwesenheit von Menschen gewöhnt waren, haben die Forschenden Kotproben als DNA-Quelle für die Studie verwendet. (Bild: PanAf/MPI-EVA)

Die Forschenden sammelten Schimpansen-Kotproben von verschiedenen Standorten in Afrika und konnten belegen, dass die vier Unterarten trotz früherer Isolationsereignisse wieder miteinander in Verbindung kamen.  (Bild: PanAf/MPI-EVA)

Die Forschenden sammelten Schimpansen-Kotproben von verschiedenen Standorten in Afrika und konnten belegen, dass die vier Unterarten trotz früherer Isolationsereignisse wieder miteinander in Verbindung kamen.  (Bild: PanAf/MPI-EVA)

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Eine neue, groß angelegte Studie belegt aktuelle genetische Verknüpfung zwischen den vier Schimpansen-Unterarten trotz früherer Isolationsereignisse

Basiert auf einer Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA)

Schimpansen werden in vier Unterarten unterteilt, die durch geografische Barrieren wie Flüsse getrennt sind. Frühere Studien, die versuchten, die Populationsgeschichte der Schimpansen zu verstehen, haben ein widersprüchliches Bild gezeichnet: Einige haben klare Trennungen zwischen den Unterarten der Schimpansen gezeigt, während andere einen genetischen Gradienten über die Spezies wie beim Menschen nahelegen. Um diese Dichotomie aufzulösen, hat ein internationales Forscherteam unter Leitung des Pan African Programme: The Cultured Chimpanzee (PanAf), des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) über 5000 Kotproben von 55 Standorten in 18 Ländern im gesamten Verbreitungsgebiet der Schimpansen über einen Zeitraum von acht Jahren gesammelt - die bisher vollständigste Probenahme dieser Tierart. Die Auswertung wurde in Communications Biology veröffentlicht.

Ähnlich wie wir leben Schimpansen in verschiedenen Lebensräumen und haben eine große Verhaltensvielfalt. Im Gegensatz zum Menschen, dessen genetische Variation entlang eines Gradienten verläuft – es gibt keine Rassen aber einige Bereiche mit lokaler genetischer Anpassung – sind Schimpansen vier Unterarten zugeordnet. Frühere Studien, die versuchten, die Populationsgeschichte von Schimpansen zu verstehen, waren entweder durch die schlechte geografische Verteilung der Proben, Proben unsicherer Herkunft oder unterschiedliche Arten genetischer Marker begrenzt - mit entsprechend inkonsistenten Ergebnissen. Die groß angelegte Studie der Forscher sollte diese Unsicherheiten nun beseitigen.

„Dies ist die bisher bei weitem vollständigste Probenahme dieser Spezies, mit einem bekannten Herkunftsort für jede Probe", sagt Dr. Mimi Arandjelovic, Co-Direktorin des PanAf am MPI-EVA und Seniorautorin der Studie. „Das Sammeln dieser Proben war oft eine entmutigende Aufgabe für unsere hervorragenden Feldteams. Die Schimpansen waren größtenteils nicht an die Anwesenheit von Menschen gewöhnt, sodass viel Geduld, Geschick und Glück nötig war, um an allen Standorten Schimpansenkot zu finden.“

Schimpansen-Unterarten können sich genetisch austauschen

Jack Lester, Doktorand am MPI-EVA und Erstautor der Studie, erklärt: „Wir haben genetische Marker verwendet, die die aktuelle Populationsgeschichte von Arten widerspiegeln. In Kombination mit den zahlreichen Stichproben aus dem gesamten Verbreitungsgebiet zeigen wir, dass die Schimpansen-Unterarten tatsächlich miteinander verbunden waren oder was noch wahrscheinlicher ist, während der letzten Ausdehnung der afrikanischen Wälder, wieder in Kontakt kamen.“

Obwohl Schimpansen also in ihrer fernen Vergangenheit verschiedenen Unterarten angehörten, waren die geografischen Barrieren – bevor die vom Menschen verursachten Störeinflüsse in jüngster Zeit zugenommen haben – für die Ausbreitung der Schimpansen durchlässig. Dr. Paolo Gratton, Mitautor der Studie und Forscher an der Università di Roma „Tor Vergata“ fügt hinzu: „Es wird allgemein angenommen, dass Schimpansen während der Eiszeiten in Waldrefugien überlebt haben, was wahrscheinlich für die Isolierung der Populationsgruppen, die wir heute als Unterarten bezeichnen, verantwortlich war. Unsere Ergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass die genetische Konnektivität in den letzten Jahrtausenden hauptsächlich geografische Entfernungen und lokale Faktoren widerspiegelt und die älteren Unterteilungen der Unterarten überdeckt.“

„Darüber hinaus deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass die große Verhaltensvielfalt, die bei Schimpansen beobachtet wurde, nicht auf eine lokale genetische Anpassung zurückgeführt werden kann. Schimpansen sind, ähnlich wie Menschen, auf Verhaltensflexibilität angewiesen, um auf Veränderungen in ihrer Umwelt zu reagieren“, sagt Dr Hjalmar Kühl, Co-Direktor des PanAf und Forscher am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv).

Das Team fand auch Zeichen für eine sich verringernde Diversität an einigen Standorten, die mit Eingriffen des Menschen in die Natur zusammenhängen könnten. Tatsächlich fanden die PanAf-Teams an einigen Orten keine, oder nur wenige Schimpansen vor, obwohl deren Anwesenheit über Jahrzehnte hinweg dokumentiert worden war. „Auch wenn es für uns nicht völlig überraschend war, so waren wir doch etwas entmutigt, menschliche Einwirkungen bereits an einigen Feldstandorten zu finden, wo die genetische Vielfalt deutlich geringer ausfiel als erwartet“, sagt Jack Lester.

Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der genetischen Konnektivität für die Schimpansen in ihrer jüngsten Geschichte. „Es sollten Anstrengungen unternommen werden, um Ausbreitungskorridore im gesamten Verbreitungsgebiet der Schimpansen wiederherzustellen und zu erhalten, vielleicht mit besonderem Augenmerk auf transnationale Schutzgebiete“, ergänzt Prof. Christophe Boesch, Co-Direktor des PanAf und Direktor der Wild Chimpanzee Foundation am MPI-EVA. Es ist bekannt, dass Schimpansen sich an menschliche Störeinflüsse anpassen und in vom Menschen veränderten Landschaften überleben können. Doch Lebensraumverlust, zoonotische Krankheiten, Buschfleisch und Haustierhandel sind allesamt Bedrohungen, die das Überleben der Schimpansen gefährden. Die aktuelle Studie warnt vor zukünftigen kritischen Auswirkungen auf die genetische Gesundheit und Lebensfähigkeit der Schimpansen, wenn Lebensraumfragmentierung und -isolation unvermindert fortschreiten.

 

Originalpublikation:
(Wissenschaftler mit iDiv-Affiliation fett)

Jack D. Lester, ... , Christopher D. Barratt, ... , Jessica Junker, ... , Hjalmar S. Kühl & Mimi Arandjelovic (2021): Recent genetic connectivity and clinal variation in chimpanzees. Communications Biology, DOI: 10.1038/s42003-021-01806-x

Pressemitteilung des MPI-EVA: https://www.mpg.de/16540999/0303-evan-schimpansen-ohne-grenzen-150495-x

 

Ansprechpartner:

Jack Lester
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig
Tel.: +49 341 3550-262
E-Mail: jack_lester@eva.mpg.de

 

Dr. Hjalmar Kühl
Leiter der Forschungsgruppe "Nachhaltigkeit und Komplexität der Lebensräume von Menschenaffen"
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA)
Tel.: +49 341 3550236
E-Mail: kuehl@eva.mpg.de
Web: www.idiv.de/de/gruppen_und_personen/mitarbeiterinnen/mitarbeiterdetails/eshow/kuehl_hjalmar.html

 

Sebastian Tilch
Abteilung Medien und Kommunikation
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Tel.: +49 341 97 33197
E-Mail: sebastian.tilch@idiv.de
Web: www.idiv.de/medien

 

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